2.5.2022 – OLG München: Überholen eines Traktors bei unklarer Verkehrslage – 1/3 Mithaftung des Traktorfahrers

OLG München vom 9.3.2022, Az. 10 U 6476/21

Ein Autofahrer befuhr eine Landstraße. Vor ihm fuhr ein Traktor. Der Autofahrer setzte zum Überholen an, wobei er ignorierte, dass der Traktor seine Geschwindigkeit reduziert hatte und sich zur Mitte der Straße orientierte. Mit erheblich zu hoher Geschwindigkeit wollte er den Traktor überholen, der in dem Moment unter Verstoß gegen die doppelte Rückschaupflicht abbog. Es kam zu Kollision.

Der Traktorfahrer verlangte Schadenersatz, da der Verstoß der Pkw-Fahrers, bei unklarer Verkehrslage mit überhöhter Geschwindigkeit zu überholen, ein alleiniges Verschulden bedeute.

Die Versicherung des Pkw-Fahrers sah das anders und ging von einer Mitschuld des Traktorfahrers aus, da dieser nicht nach hinten geschaut habe. Dann hätte er den Pkw gesehen und den Abbiegevorgang abbrechen können.

Das OLG München entschied, dass den Autofahrer eine Haftungsquote von 2/3 treffe, der Traktorfahrer 1/3 zu tragen habe.

Beide Beteiligten haben sich sorgfaltswidrig verhalten, so das Gericht.

Der Autofahrer habe mit viel zu hoher Geschwindigkeit überholt und die Hinweise auf ein Abbiegen des Traktors (Herabsetzen der Geschwindigkeit und Einordnung zur Straßenmitte) ignoriert. Dadurch habe er den Unfall überwiegend verursacht. Den Traktorfahrer treffe aber ebenfalls ein Verschulden. Er habe es versäumt, die doppelte Rückschaupflicht durchzuführen. Wenn er diese beachtet hätte, hätte er den sehr schnell herannahenden Wagen gesehen und vom Abbiegen absehen können. Unter Berücksichtigung der erhöhten Betriebsgefahr eines Traktors sei eine Mithaftung von 1/3 angemessen.